Spoke 35

Spoke 35

Ab dem 7.2.2018 im Handel

Features

CX IM RHEINLAND - TEIL 2

In Teil 1 unserer Serie zu Cross im Rheinland sprachen wir über den NRW-Cross-Cup. Aber wie sieht es mit dem Nachwuchs, besonders im Rheinland mit seiner bereits etwas in die Jahre gekommenen Cyclocross-Tradition aus?

[Dieser Text stammt aus Spoke #34. Den ersten Teil findet ihr hier -> CX im Rheinland Teil 1]

Dazu besuchte SPOKE zwei außergewöhnliche Vater-Sohn-Gespanne, die den Sport sprichwörtlich leben. Während der 45-jährige Martin Neffgen vom RSV Düren im Wohnmobil nach seinem Sieg hier in Radevormwald andere Klamotten sucht, führt sein 15-jähriger Sohn Tim den Putzlappen final über das Oberrohr seines Crossers, mit dem auch er einige Stunden zuvor in der Jugendklasse U17 auf Platz 1 gefahren ist. Ähnliche Szenen eines Rennalltags spielen im selbst aufgebauten Wohnmobil des „Gespanns Habermann“ vom RSC Rheinbach ab. „Gleich geht’s weiter nach Lohne, wo morgen das Rennen im Deutschland-Cup stattfindet“, teilt uns der 38-jährige Markus Habermann aus der Voreifel mit. Sein Sohn Jan, der gerade seine Trophäen für Platz 3 anschleppt, ist 14 Jahre alt und hat dort, so wie auch Tim, seinen nächsten Renneinsatz. „Der Sport ist unsere Freizeit“, lächelt Martin, der selber äußerst erfolgreich in seiner Altersklasse unterwegs ist. „Tim liegt im Deutschland-Cup aktuell auf einem sehr guten Platz 4 und stand in dieser Saison bereits zweimal auf dem Podium.“ Seinen größten Erfolg konnte Tim aber als bester Deutscher auf Platz 8 im extrem stark besetzten Koppenbergcross in Belgien verbuchen. Auch Jan hat an diesem Rennen teilgenommen und wenn er von der Nervosität und der Gänsehaut berichtet, kann man sich das Bild kaum ausmalen, wie es gerade für einen Heranwachsenden sein muss, vor über 5000 eingefleischten Zuschauern am Start im Mutterland des Cyclocross stehen zu dürfen.

Die Neffgens

Die Liebe zum Cross rührt bei Tim bereits aus früheren Tagen, als er sich mit Martin Profirennen im nahen Ausland angeschaut hat. Tim selbst kombinierte vor zwei Jahren seine Erfahrungen aus MTB, Downhill und dem Straßenradsport, um auf dem Crosser aktiv zu werden. Mit acht bis zehn Stunden gemeinsamem Training pro Woche beweisen Vater und Sohn ihre große Disziplin. Besonders starke Lichtanlagen am Rad erlauben auch das Geländetraining in der Dunkelheit, aber „Schule und Beruf dürfen natürlich nicht leiden“. Dass es bei so viel gemeinsam verbrachter Zeit nicht reibungslos zugehen kann, sehen beide locker. „Unsere Meinungen zu den Themen Material, Training, Ernährung und Materialpflege gehen schon mal auseinander“, berichtet Martin, der stolz auf die Entwicklung schaut: „Tim muss seinen Tagesablauf sehr genau organisieren. Er ist dadurch insgesamt sehr zielorientiert und selbstbewusst geworden.“ Das sieht Markus Habermann genauso und erlebt es als Jugendtrainer, „dass der Nachwuchs lernt, sich besser durchzubeißen und nach Niederlagen nicht gleich aufzugeben. Das wirkt sich natürlich nicht nur beim Sport aus, sondern auch in der Schule.“ Sein Sohn Jan hat sich alles beim Vater abgeschaut und vor drei Jahren eigenmächtig entschieden, auch auf einen Crosser zu springen. Heute liegt er in der U17-Klasse des Deutschland-Cups auf Rang 11 und ist sogar zweiter seiner
Altersklasse. Trotz des Erfolgs sind es aber die kleinen Momente, die Vater und Sohn genießen: „Lange Trainingsfahrten mal ohne einen Trainingsplan einhalten zu müssen und einfach nur zu fahren.“

Wie Tim, ist auch Jan nahezu jedes Wochenende in der Republik mit seinen Eltern unterwegs, um ein Rennen zu bestreiten. Darauf ist das Familienleben in beiden Fällen voll und ganz ausgerichtet. „Wir genießen die gemeinsamen Rennwochenenden mit unserer Managerin (Jans Frau) und dem Hund im Wohnmobil. Auch die langen Autofahrten sind irgendwie gut. Einfach mal Erzählen, ohne Termindruck und Ablenkung“, so Markus über die Roadtrips, die ohne das mütterliche Management aber nicht funktionieren würden. Zum Zeitaufwand gesellen sich in diesem Umfang hohe Ausgaben für Trainings- und Rennmaterial, Bekleidung, Verpflegung, Übernachtungen, Fahrtkosten und Startgelder, die nur zu einem kleinen Teil von Sponsoren gedeckt werden. „Das wird aber alles durch die unvergesslichen Momenten wieder wettgemacht“, strahlt Martin. „Besonders schön ist es, wenn Vater und Sohn ganz oben auf der Treppe stehen. Gemeinsame Siege sind ein Höhepunkt der Saison. Auf das hoffentlich schönste Erlebnis arbeiten wir noch drauf hin – wir wollen bei den Deutschen Meisterschaften den Titel holen!

Besonders schön ist es, wenn Vater und Sohn ganz oben auf der Treppe stehen

Die Habermanns am Paterberg

Beide Väter sind zudem noch in der Nachwuchsarbeit tätig. Martin zeigt sich erfreut: „Bundesweit nimmt die Anzahl der Starter im Nachwuchsbereich des Cross-Sports zu. Auch in unserer Gegend kommen immer mehr junge Sportler hinzu. Durch die beiden Workshops in Wuppertal konnten wir bereits neue Talente motivieren. Auch in unserem Verein, dem RSV Düren, versuchen wir gerade, ein Trainingsgelände aufzubauen. So hätten die Jugendlichen abseits des Straßenverkehrs die Möglichkeit, ihrem Hobby nachzugehen.“ So ein Trainingsgelände kann Markus mit der Unterstützung des dort ansässigen Sportvereins TuS Kreuzweingarten bereits vorweisen. Hier leitet der Rennfahrer aus der Jugend des ehemaligen Team Gerolsteiners auf einem Wald- und Wiesenparcours ein wöchentliches Training für den Nachwuchs, zu dem sich interessierte Eltern mit ihren Kindern gerne einfinden können. Das alles wird ehrenamtlich abseits der breiten Öffentlichkeit in einem so familiären Rahmen durchgezogen, dass man es eigentlich nicht hoch genug würdigen kann. Fundiertes Wissen wird hier auf spielerische Art von einer Cross-Generation auf die nächste übertragen.

Aber auch für Einsteiger im gesetzten Alter bietet die Region einiges, wie SPOKE feststellen konnte. Es wird einem an allen Ecken und Kanten geholfen, damit man mit seinem Crosser nicht alleine dasteht, bzw. fährt. Neben den erwähnten Rennformaten mit einsteigerfreundlichen Hobbyklassen bieten sich viele weitere Gelegenheiten für Interessierte. Vereine wie der Radtreff Campus Bonn laden zu Geländeausfahrten ein, bei denen zu erstmaligen Teilnahmen keine Vereinszugehörigkeit vonnöten ist. Mit über 200 Mitgliedern wird die Attraktivität solcher Vereine bestätigt. „Wir bieten seit 2016 im Winter mit unseren Cross‘n‘Gravel-Runden regelmäßige Touren an. Der Name zielt darauf ab, dass wir hier offen für unterschiedliche Schwerpunkte sind und nicht ausschließlich ein reinrassiges Cyclocross-Training anstreben. Wir wollen einfach die Gegend auf Feld- und Waldwegen erkunden und Spaß beim Fahren haben“, so Rolf Schütz vom RCB. Der Verein selbst stellt mit steigender Tendenz mehrere Cross-Rennfahrer in verschiedenen Klassen, veranstaltet interne Fahrtechnikkurse und informiert gerne.

Die Neffgens an der Frituur

Offene Workshops erfreuen sich hoher Teilnehmerzahlen, und auch hier engagieren sich die Väter der beiden jüngeren Cracks vorbildlich. Wie Martin in Wuppertal lädt Markus erwachsene Neueinsteiger zu Workshops ein, die zu Monatsbeginn mit festem Thema auf abwechselnden Terrains in der Voreifel stattfinden.

[Dieser Text stammt aus Spoke #34. Den ersten Teil findet ihr hier -> CX im Rheinland Teil 1]

Im nächsten und letzten Teil unserer Serie geht es um den Peloton-Shop in Rheinbach – dem Motor des Cyclocross in NRW.

http://www.kreuzweingarten.de/Radsport.html
http://radtreffcampus.de/
https://www.rsv-dueren.de/